Vom Leid zum Buch: Frau Freitag

Vom Leid zum Buch

Hinweis: Dies ist einer von insgesamt zehn inspirierenden Gastartikeln aus Ein gutes Ziel. Danke dir Frau Freitag, für deinen schönen Artikel!

VOM LEID ZUM BUCH

Von Frau Freitag

Eigentlich wollte ich nie Lehrerin werden. Durch irgendwelche Zufälle wurde ich es dann doch. Das Referendariat war die Hölle. Diese ständigen Unterrichtsbesuche und das Fertiggemachtwerden von den Seminarleiter*innen war schlimm. Ich freute mich auf den Berufsanfang.  Nicht mehr überprüft werden, dafür mehr Geld. Aber auch die ersten Berufsjahre waren grauenhaft, und als meine erste eigene Klasse im achten Jahrgang war, dachte ich, ich dreh durch.

Schlaflosigkeit, Stimmbandentzündung und Augenzucken.

Ich stand kurz vorm Burn-out. Deshalb suchte ich im Internet nach Leidensgenossen. Es konnte doch nicht sein, dass es nur mir so ging.

„Es gibt doch jetzt Blogs für alles Mögliche“, sagte ich dem Freund. „Bestimmt gibt es auch Lehrerblogs.“ Und die gab es auch. Ich fand drei. Alle von Männern. Männer an Gymnasien, die davon berichteten, wie geil sie wieder unterrichtet hatten. Wie toll die Schüler mit ihrer Unterrichtseinheit über Shakespeare klarkamen. Na super. Bei mir klappt gar nichts, da will ich doch nicht noch lesen, wie toll die da an ihren Gymnasien unterrichten, dachte ich.

„Schreib doch deinen eigenen Blog!“, schlug mein Freund vor. Eine gute Idee. Ich richtete bei Wordpress alles ein. Jetzt fehlte mir nur noch ein Pseudonym. Meinen richtigen Namen wollte ich nicht nehmen. Ich nannte mich zunächst Frau Freitag, weil ich irgendetwas eintragen musste und weil Freitag mein Lieblingstag ist.

„Ich schreibe einen Blog. Über mein Lehrerdasein. Ich brauche nur noch einen besseren Namen. Ich will so einen lehrerinnentypischen Doppelnamen“, erzählte ich meinen Freunden. „Wenn ich das perfekte Pseudonym gefunden habe, dann leg ich los.“ Ich überlegte mir Namen. Guckte sogar an jedem Haus in meiner Straße auf die Klingelschilder. Machte zu Hause Listen mit Doppelnamenkonstruktionen. Ich fand einfach kein Pseudonym, das mir gefiel. Der Blog lag brach. In der Schule wurde es auch nicht besser. Nur das Augenzucken verstärkte sich.  Ich suchte nicht mehr nach Lehrerblogs, schrieb auch selbst keine Zeile. Aber bald. Ich brauchte ja nur noch den Namen. Dann! Dann würde es losgehen. Ich schrieb nichts, aber ich erzählte immer noch, dass ich vorhatte, einen eigenen Lehrerblog zu machen. War ja auch alles schon eingerichtet. So ging das ein Jahr. Irgendwann sagte ein Freund: „Was ist jetzt mit deinem Blog? Wenn du nicht bald damit anfängst, dann wird das noch zur Lebenslüge.“

Das saß. Am selben Abend öffnete ich meine Wordpress-Seite. Frau Freitag. Ich hatte schon vergessen, dass ich mir diesen Namen ausgesucht hatte. Frau Freitag – das klingt doch super. Ich fing sofort an zu schreiben. Am nächsten Tag wieder und dann ein Jahr lang ohne einen Tag Pause. Ich schrieb sogar in den Ferien. Es machte richtig Spaß. Nach ein paar Wochen kamen auch irgendwelche Leser*innen. Ich habe nie herausgefunden, woher, aber ich freute mich über sie. In der Schule wurde es zunächst nicht besser, aber dadurch, dass ich über meine Probleme schrieb, wurden die irgendwie kleiner. Und plötzlich waren da auch Leidensgenoss*innen. Blogleser*innen, die genau die gleichen Schwierigkeiten hatten, wie ich. Das half mir sehr. Ich fühlte mich nicht mehr so alleine.

Nach einem Jahr schrieb mir ein Literaturagent, ob ich nicht Lust hätte, ein Buch zu machen. Und das habe ich dann gemacht. Aus dem Blog sind drei und aus der Zusammenarbeit mit Frl. Krise (meiner ehemaligen Mentorin und langjährigen Freundin) drei weitere Bücher entstanden. Letztes Jahr habe ich noch einen Ratgeber für strauchelnde Junglehrer*innen geschrieben, damit sie nicht so leiden müssen wie ich damals. Da taucht auch immer wieder der schwer leidende Referendar Ernst auf. Interessanterweise kann er sich gar nicht mehr daran erinnern, wie schlecht es ihm am Anfang seiner Lehrerausbildung ging. Männer! Leider ist er noch nicht im Schuldienst, sondern hat dieses schöne Buch gemacht, das du in der Hand hältst.

Heute kann ich mir das Schreiben gar nicht mehr wegdenken. Es macht Spaß, entspannt mich und manchmal muss ich so über das lachen, was ich schreibe, dass ich den Bildschirm von meinem Laptop anspucke.

Ich bin froh, dass dieser Freund mir das mit der Lebenslüge gesagt hat. Sonst hätte ich wohl nie angefangen zu schreiben. Heute sage ich den Leuten: Mach einfach! Fang einfach an! Und wenn du ein Buch schreiben willst, dann schreib! Schreib nicht nur, wenn du dich inspiriert fühlst! Schreib jeden Tag! Schreibblockaden gibt es nicht. Es gibt ja auch keine Zur-Schule-geh-Blockaden. Wenn ich immer nur unterrichten würde, wenn ich Bock drauf habe… die Schüler hätten nicht viel Unterricht bei mir. Der Spaß kommt meistens erst dabei. Quatsch nicht ewig nur davon, sondern fang damit an! Oder soll dein Projekt, dein Buch, deine Weltreise, dein Jobwechsel, dein Neuanfang irgendwann zur Lebenslüge werden? Die Bücher, die erfolgreich sind, sind die, die fertig geworden sind.

 

Über die Autorin

Frau Freitag, geboren 1968, wollte schon immer Lehrerin werden. Seit über zehn Jahren unterrichtet sie Englisch und Kunst in lauter überdrehten, dafür recht leistungsschwachen Klassen in Berlin. Sie hat seit 2011 sechs Bücher veröffentlicht, von denen gleich mehrere wochenlang auf den deutschen  Bestseller listen präsent waren. Frau Freitag bloggt unter fraufreitag.wordpress. com.

Frau Freitag Gastautorin in Ein gutes Ziel

 


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